Liebe Greifensteiner/Edinger Geschwister
Wie ist das wenn man Gott begegnet, wenn man von Gottes Licht angestrahlt wird?
Wir sahen seine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit. So heißt es in der Weihnachtsgeschichte von Johannes.
Und Lukas berichtet, dass die Hirten die Herrlichkeit Gottes zusammen mit dem Engelchor gesehen haben und Angst hatten.
Ist Gottes Herrlichkeit erschreckend? Zu hell für uns? Ungemütlich hell, weil sie alles aufdeckt und ausleuchtet, was lieber im Dunkeln verborgen bleiben soll?
Ich habe euch eine Geschichte aus dem Alten Testament mitgebracht. Aus dem Deuteronomium, oder den 5. Buch Mose. Deuteronomium heißt es von den beiden griechischen Begriffen: deutero: das heißt: der zweite, zum zweiten Mal und Nomos: das heißt Gesetz. Es heißt also Deutero-nomium, weil in ihm nochmal, also zum zweiten Mal, davon erzählt wird, wie Gott seinen Leuten die zehn Gebote gegeben hat.
Um diese Begegnung mit Gott geht es. Es ist eine ziemlich schräge Geschichte. Lasst mich kurz den Hintergrund erklären:
Erzählt wird, dass Mose und die Israeliten am Berg Nebo stehen, kurz bevor sie in das ihnen von Gott verheißene Land ziehen sollen. Dort erinnert Mose sie daran, dass sie vor 40 Jahren schon mal an einem Berg standen, damals am Sinai auch Horeb genannt, und dort Gott begegnet sind.
Schon in diesem Szenario ist es nach 40 harten Jahren in der Wüste recht unwahrscheinlich, dass es noch dieselben Leute sind, wie vor 40 Jahren. Wahrscheinlicher ist es, dass hier eine neue Generation steht. Aber Mose tut so, als ob die, die heute bei ihm stehen auch die waren, die Gott damals am Sinai reden gehört haben.
Noch interessanter wird es, wenn man sich klar macht, dass das Deuteronomium sich eigentlich an Menschen richtet, die viel später gelebt haben. Aus manchen Passagen des 5. Buch Mose geht klar hervor, dass die Israeliten bereits in das Land eingezogen sind. Sie haben sich dort ein Leben in Wohlstand aufgebaut. Aber dann sind sie wieder aus dem Land vertrieben worden.
Nun, 500 Jahre später, stehen sie wieder vor der Herausforderung in das Land zu ziehen. Die Babylonier hatten sie ins Exil verschleppt, aber nun dürfen sie zurück. Sie wissen nur nicht, ob sie das überhaupt wollen. Sie wissen nicht, ob Gott noch auf ihrer Seite steht, oder ob Gott sie längst vergessen hat. Woher soll man wissen, was jetzt zu tun ist?
Das 5. Buch Mose, antwortet, indem es die Geschichte ihrer Vorfahren so erzählt, als wäre es ihre eigene Geschichte. Und ganz im Sinne des Deuteronomiums wäre es, wenn wir die Geschichte so hören, als stünden wir dort am Nebo und Mose würde uns ansprechen:
Predigttext
22 Diese Gebote gab euch der Herr am Berg Horeb. Eure ganze Gemeinde war versammelt und hörte, wie er sie mit lauter Stimme verkündete, aus dem Feuer und der dunklen Wolke heraus. Dies sind die Grundgebote; er schrieb sie auf zwei Steintafeln und gab die Tafeln mir. 23 Als ihr damals den Berg in Flammen saht und die Stimme aus dem Dunkel heraus hörtet, kamen alle eure Stammesoberhäupter und Ältesten zu mir 24 und sagten: »Der Herr, unser Gott, hat uns heute seine Größe und Herrlichkeit sehen lassen und wir haben aus dem Feuer seine Stimme gehört. Wir haben staunend erfahren, dass Gott zu Menschen sprechen kann, ohne dass sie deshalb sterben müssen. 25 Aber wir haben Angst, dass uns dieses große Feuer doch noch verzehren wird. Wenn wir die Stimme des Herrn, unseres Gottes, noch länger hören, werden wir es gewiss nicht überleben. 26 Noch kein sterblicher Mensch hat so wie wir die Stimme des lebendigen Gottes mitten aus dem Feuer reden hören und ist am Leben geblieben. 27 Deshalb geh du jetzt hin, höre alles, was der Herr, unser Gott, sagt, und teile es uns mit. Wir werden darauf hören und alles befolgen.«
28 Da sagte der Herr zu mir: »Ich habe gehört, worum das Volk dich gebeten hat. Es ist gut, was sie sagen. 29 Wenn sie nur immer so gesinnt bleiben! Wenn sie mich nur immer so ernst nehmen und meine Gebote befolgen! Dann wird es ihnen und ihren Nachkommen stets gut gehen. 30 Sag ihnen, sie sollen in ihre Zelte zurückkehren. 31 Du aber tritt her zu mir! Ich will dir alle die Gesetze, Gebote und Rechtsbestimmungen sagen, die du ihnen einprägen sollst und nach denen sie leben sollen in dem Land, das ich ihnen gebe.« 32 Befolgt also sorgfältig alles, was der Herr, euer Gott, euch befohlen hat. Weicht nicht davon ab! 33 Bleibt genau auf dem Weg, den er euch mit seinen Geboten gewiesen hat. Dann werdet ihr am Leben bleiben und es wird euch gut gehen und ihr werdet immer in dem Land wohnen können, das ihr jetzt in Besitz nehmt.
Dtn. 5, 22-29 (GNB)
Also ich finde ja, dass sie feige sind. Und Mose vorschicken. Sei nicht feige, lass mich hintern Baum…
Warum sollen wir nochmal das Risiko eingehen? Geh du alleine hin und hör ihm zu.
Was mich erstaunt ist, mit wie viel Verständnis Gott reagiert. Ich glaub, ich fänd das irgendwie nicht so toll, wenn ich mit Leuten, die mir wichtig sind reden will und die schicken einen vor und verstecken sich alle hinter ihm.
Warum haben sie so’ne Angst?
Irgendwie scheint Gott ihnen nicht ganz geheuer zu sein. Ein bisschen unberechenbar. Noch hat er nur gebrüllt, aber wer weiß, ob er nicht vielleicht doch beißt?
Man weiß ja auch nicht, was kommt.
Ich hätte es auch lieber, wenn Gott zu mir nicht aus Donnergrollen und Dunkelheit sprechen würde, sondern zivilisiert und freundlich.
Irgendwie ist das doch auch durchaus verständlich.
Gott redet aus dem Dunkel
Was heißt das? Wie hängen Gott und das Dunkel zusammen? Ist er etwa die Ursache dessen, was im Leben dunkel und bedrohlich ist?
Die Israeliten haben grade eine ziemlich schlimme Zeit hinter sich.
Ist Gott der, der das Exil über sie verhängt hat?
Steckt Gott hinter dem Dunkel in meinem Leben?
Ist Gott so was wie ein blindes Schicksal, oder ein launisches höheres Wesen?
Möglicher Weise steht hinter der Erfahrung, Gottes Stimme aus dem Dunkel gehört zu haben, ein Naturereignis, vielleicht ein Vulkanausbruch, den Menschen als Gotteserfahrung interpretiert haben und zugegebenermaßen kann ein Vulkanausbruch lebensgefährlich sein.
Auf jeden Fall, Mose vorzuschicken, als wäre er nicht aus Fleisch und Blut wie sie, das ist – naja sagen wir mal, sehr menschlich.
Mose behauptet zwar:
Wenn ihr euch auf Gott verlasst und einlasst, wenn ihr ihn liebt, dann wird alles gut, dann erlebt ihr Segen und Freude. Dann wird es euch gut gehen. Er will für euch nur das Beste. Er liebt euch.
Aber die Erfahrung steht doch eher dagegen, oder?
„Noch kein Mensch hat Gottes Stimme aus dem Dunkel gehört und ist am Leben geblieben.“
Gott begegnet im Dunkel.
Das ist unheimlich.
Das ist bedrohlich.
Und überhaupt: „Gottes Stimme hören“, das ist doch schräg!
Wenn Menschen aus dem Donner heraus Gottes Stimme hören, sind sie dann nicht verblendet oder gar verrückt? Ist es nicht sehr viel wahrscheinlicher, dass die Stimme eine Einbildung ist? Ist es nicht ziemlich gut möglich, dass diese Stimmen nichts mit Gott zu tun haben, sondern Widerhall der inneren Dunkelheit und Konfusion der Menschen sind? Wer soll das unterscheiden?
Das ist doch gefährlich!
Die Leute entscheiden sich lieber für etwas Handfestes, Konkretes. Für etwas, das man schwarz auf weiß festhält, das eindeutig ist, innerweltlich, etwas, dass dingfest gemacht werden kann.
Für Gesetze und Regeln. Da weiß man, woran man ist.
Und Gott lässt sich drauf ein. Er respektiert das Maß an Nähe und Distanz zu dem die Menschen bereit sind.
Er ist bereit Abstriche zu machen. Eigentlich wollte er unmittelbare Nähe und Liebe, aber Respekt und Achtung sind auch okay, wenn die Menschen damit besser klar kommen.
Tja, wenn…
Scheint ja nicht so gut funktioniert zu haben.
Das Deuteronomium erzählt auch eine Geschichte des Scheiterns. Sie haben es nicht geschafft, die Gesetze und Regeln einzuhalten.
Wir schaffen es nicht, Gott auf diesem Weg nah zu bleiben, auch wenn wir es immer wieder versuchen. Klar können wir schon eine Menge mit guten Vorsätzen erreichen: haben wir uns ja auch grade eben alle wieder vorgenommen.
Das Problem dabei ist auch nicht, wie gut oder schlecht es uns gelingt, gut zu sein. Wir könnten alles richtig machen und das Misstrauen bleibt trotzdem. Der Zweifel: War das jetzt genug? Es liegt in der Logik einer Beziehung, die sich auf Leistung gründet, dass immer noch ein bisschen mehr möglich wäre, wenn man sich Mühe gibt.
Respekt und Achtung Gott gegenüber reichen nicht aus, wenn das eigene Herz rebelliert und ihn in Frage stellt und in Zweifel zieht. Mose will deshalb eigentlich, dass seine Mitmenschen Gott lieben, statt ihm nur zu gehorchen.
Aber wie soll man jemanden lieben, wenn man eine Beziehung zueinander hat, die sich auf Leistung und Gegenleistung verlässt. Wie soll man sich wohlfühlen unter dem Blick, der einen beurteilt und richtet?
Wer das, wenn er ehrlich zu sich selbst ist, zugeben muss, dass sein Herz doch einen eigenen Kopf hat und nicht nach Gottes Regeln leben will, der kann diesen Blick Gottes auf sein Leben nicht so gut ertragen.
Wenn meine Beziehung zu Gott davon abhängt, dass ich brav bin und mich an die Regeln halte, dann will ich nicht, dass Gott meine Abgründe sieht, oder auch nur meine Mittelmäßigkeit. Denn dann würde ich ja die gute Beziehung zu ihm riskieren und mit ihr meine gute Zukunft.
Dann ist es klar, dass man lieber jemanden vorschickt, der eine bessere Lebensbilanz vorzuweisen hat.
Der Blick Gottes ist nur dann auszuhalten, wenn seine Zuwendung nicht davon abhängt, was er sieht, wenn er mich anschaut. Nur wenn es ein Blick voller Liebe ist, kann ich riskieren, mich ansehen zu lassen, wie ich bin ohne die Angst, dann verdammt und verurteilt zu werden.
Gott findet es zwar okay, von Menschen respektiert zu werden, und er respektiert auch unsere Versuche, ihm gerecht zu werden. Aber er sieht auch, dass es nicht funktioniert. Wir können uns ihm nicht wirklich öffnen, wenn wir uns vor ihm verstecken müssen. Das klappt nicht.
Die Beziehung muss wieder direkter werden, nicht über andere Leute oder über Absprachen vermittelt. Und gleichzeitig muss es so sein, dass es für uns Menschen menschlich zugeht, greifbar, verständlich.
Gott entscheidet sich dafür, nochmal ganz neu auf die Menschen zuzugehen – nicht aus Donner und Schrecken heraus zu ihnen zu sprechen, sondern direkt, menschlich und so wenig bedrohlich, wie nur denkbar: als Säugling. Welch eine vertrauensbildende Maßnahme:
Der Evangelist Johannes formuliert es so: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“
Das Wort ward Fleisch – statt Feuer und Schall – in Jesus Christus begegnen Gott uns so, dass wir tatsächlich keine Angst mehr zu haben brauchen.
Das Licht der Engel, die die ganze Herrlichkeit Gottes über ihnen aufleuchten ließen, machte den Hirten Angst. Vor dem Säugling in der Krippe dagegen fürchten sie sich nicht.
Egal, was Gottes Augen in uns sehen, es sind jetzt die Augen eines Kindes, das uns vertrauensvoll und liebevoll anschaut.
Warum sollte es mir dann noch Angst machen, dass Gott mir begegnet?
Und das Dunkel? Wie hängt das denn nun mit Gott zusammen?
Gottes vertrauensbildende Nähe zu uns geht sogar noch weiter, noch tiefer. Das Dunkel aus dem Gott spricht, verschwindet nicht einfach. Gott wird nicht handzahm in Jesus. Aber er konfrontiert nicht mehr uns mit dem Dunkel, sondern sich selbst.
In Christus hat Gott den Weg gewählt, selbst Teil des Dunkels zu werden, um bei uns zu sein, wenn wir Dunkelheit erleben. Und dann spricht er auch aus der Dunkelheit zu mir. Nicht mehr bedrohlich, sondern tröstlich und nah. Voller Liebe. Und erzählt mir von einer Zukunft in seinen Armen, in der wir gemeinsam durch die Dunkelheit in das verheißene Land gehen.
Ich weiß nicht, wie euch das geht, ich wünsche mir diese unmittelbare Nähe zu Gott, aber ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich in die Verhandlungsposition zurückfalle: ich bin jetzt brav, Gott, dann bist du auch lieb zu mir…
Und dann verstecke ich mich vor ihm, weil es ja nicht stimmt. Und versuche mein Dunkel, meine Zweifel, meine Schatten zu verbergen, wodurch sie bloß größer werden uns sich zwischen Gott und mich stellen.
Aber die Hand Gottes bleibt ausgestreckt. Gott ist nicht sauer. Er respektiert meinen Rückzug. Aber sobald ich auch nur den kleinsten Schritt auf ihn und seine Liebe zugehe, öffnet er seine Arme und sein Herz weit und schaut mich mit den Augen von Jesus an, mit den Augen des Säuglings in der Krippe, mit dem Augen des Mannes, der alles für mich riskiert, damit ich zu ihm kommen kann.
Auch mitten im Dunkel ist Jesus da. Immer bloß einen Wimpernschlag entfernt, falls ich mich zu ihm umdrehe und nah an ihn heran will.
Auch mitten in meinem Kalkulieren bleibt Gott zugewandt und liebevoll.
Und wenn du einen Blick in seine Augen riskierst, dann sind sie voller Liebe und Vertrauen, die Augen eines kleinen Kindes, das auf dich zukommt und sich dir in die Arme wirft. Damit dir das Herz aufgeht.
Und der Friede Gottes…