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Predigt

14.06.20 – Armin Kistenbrügge – Durch die Wüste

Predigt: „Durch die Wüste – Wir sind noch lange nicht da.“ (Ex 16)

Im Drive-in-Gottesdienst am 14.6.2020 auf dem Sportplatz am Hinstein

Liebe Edinger (Greifensteiner) Geschwister!

„Ja, mach nur einen Plan! Sei ein großes Licht. Mach noch einen zweiten Plan – Gehn tun se beide nicht.“ Ihr wisst ja, wie man Gott zum Lachen bringt: Man erzählt ihm seine Pläne. Der Mensch denkt. Gott lacht.

Steht so im Buch der Sprüche, glaube ich. Im Moment stimmt das mit dem vergeblichen Pläneschmie­den so dermaßen: Wer weiß schon, was nach den Sommerferien ist? Oder nächstes Jahr? Wir wussten nicht mal, wie das Wetter heute wird! Die Prognosen haben sich stündlich geändert. Das ist schwer auszuhalten für mich. Ich habe schon Termine für 2021 im Kalender stehen. Wie lange müssen wir uns noch auf die Ausnahmesituation einstellen, was geht und was nicht: Wo kannste in Urlaub hin, den muss man doch planen!, wie geht’s weiter mit … der Gemeinde, der Autoindustrie, der Lufthansa und dem Kulturbetrieb, den Hochzeiten, den Stadtfesten, dem Überleben ganzer Branchen. Wir fliegen alle auf Sicht. „Man muss nach vorne schauen“, sagen die Optimisten, aber was ist, wenn du nur bis zur nächsten Ecke siehst und planen kannst?

Da fällt mir die Story von der Wüstenwanderung des Volkes Israel ein. Die passt so dermaßen zu unserer Situation, dass ich sie euch nochmal erzählen muss.

Die Sonne brannte auf den Wüstensand, und die Leute hatten Durst. Die Kinder mussten Pipi. Und weit und breit kein Kiosk, der auf hatte. Das Gequengel wurde immer lauter. „Wie weit isses noch? Wann sind wir endlich daha? Was sollte Mose an der Spitze der Kolonne antworten?„Sag mal, hast du eigentlich einen Plan?“, fragten sie ihn eine Reihe weiter hinten. „Wie geht’s denn jetzt weiter? Du hast uns hier in die Isolation in der Wüste geführt, und jetzt?“ Mose hatte, wenn er ehrlich war, ja auch keine Ahnung. Und konnte auch nicht weiter sehen als bis zum Horizont. Von einem Tag zum nächsten. Von einem Schritt zum anderen. Der einzige Plan, den Mose wirklich hatte, war, mit Gott in Kontakt zu bleiben. Und das reichte: Tagsüber stand eine markante Wolkensäule am Horizont, um die Marschrichtung anzuzeigen, nachts leuchtete in der Ferne eine Feuersäule. Sie konnten sich nicht verlaufen. Aber man konnte nicht planen. Man musste vertrauen. Trotzdem hörte das Gemecker nicht auf: „Sag mal, wer hat eigentlich an Proviant gedacht? Dieser Ausflug ist schlecht organisiert. Ich möchte mich bei der Reiseleitung beschweren!“ Einige zweifelten den Sinn der Reise grundsätzlich an: „Ich hab gehört, der Kollege eines Schwagers hat‘s erzählt, in seiner Chatgruppe hättense jetzt gesagt, das gelobte Land gäbs überhaupt nicht! Dass Mose uns alle bloß verarscht. Um uns hier in der Wüste zu versklaven! Überhaupt, in Ägypten war auch nicht alles schlecht. Wir wollen unser altes Leben wieder zurück!“

Das einzige, was Mose an Verpflegung zu bieten hatte, war, was Gott ihnen täglich vor die Füße legte. Als die Leute nämlich wirklich Hunger bekamen, entdeckten sie morgens in der Wüste ein süßes Harz, das man essen konnte und sagten dazu: „Ey was ist das denn?! (auf hebräisch: „Mannah“) und abends fielen ihnen Wachteln aus dem Himmel vor die Füße, die sie nur aufzusammeln brauchten. Aber die Dankbarkeit der Israeliten hielt immer nur bis zum nächsten Problem, sei es mit der Wasserversorgung oder mit sonst was. Dann ging das Gemecker wieder los: „Jetzt müssen wir von der Hand in den Mund leben. Jeden Tag um unser tägliches Brot bitten! Nichts ist doch schlimmer, als abhängig zu sein! Von Gott! Angewiesen auf Hilfe.“

Leute, kommt euch das bekannt vor? Wie gehen wir jetzt damit um, dass keiner den fertigen Plan hat, die Experten sich wöchentlich verbessern, weil das genau ihre Aufgabe ist, und einfach niemand weiß, wann das hier vorbei ist? Ich habe drei Hinweise für euch.

Erstens: Wir leben eigentlich die ganze Zeit unter dem Vorbehalt: „So Gott will und wir leben.“ Schon immer. Wir sehen nur den Wald vor lauter Plänen nicht. Das hat ein älterer Kollege von mir früher immer gesagt: „So Gott will und wir leben.“ Und hat sich damit den hochfliegenden Planungen seiner jüngeren Kollegen entzogen. Der weigerte sich, Termine zu machen, die weiter als ein Quartal in der Zukunft lagen. Wenn man ihm dann doch eine Aussage abnötigte, dann nur unter dem Vorbehalt: „So Gott will und wir leben.“ Vielleicht war der sogar weiser als ich in meinem ungebremsten Elan.

Also: Deine Pläne und Lebensvorstellungen unter die Fittiche von Gottes Vorsehung und Leitung zu stellen bringt dich auch wieder auf den Boden der Realität. Oder macht dir deutlich, dass der Boden, auf dem du stehst und das schönste Wolkenkuckucksheim planst, aus Wüstensand ist.

Zweitens. Wenn du planst, dann vergiss nicht, welches die Lieblingszeit Gottes ist: Die Gegenwart! Das ist die einzige Dimension, in der es sich zu leben lohnt! Aber du kannst sie dir auch ruinieren, indem du abwechselnd mit der Vergangenheit haderst oder dir Sorgen über die Zukunft machst. Ich musste das auf die harte Tour lernen, dass meine Pläne und Vorstellungen, die ich im Kopf habe, mich total blockieren können. Ich war so besessen von den Plänen, dass ich um mich herum nichts mehr mitbekommen habe. Und wenn mein Plan dann nicht klappt, und der zweite Plan auch nicht, dann ist das eigentlich das Normale: Weil die Sachen nur im Ausnahmefall so laufen, wie du es dir vorstellst.

Das bedeutet jetzt für deinen Glauben:
Es ist gut, mal nur bis zum nächsten Schritt zu denken. Also geistlich von der Hand in den Mund zu leben. Das Volk Israel hatte in der Wüste auch immer nur Proviant für den nächsten Tag und konnte nichts bunkern. Der überraschende Effekt ist dann nämlich, dass du nicht mehr an deine Pläne denkst, sondern aufmerksam bist auf das, was wirklich passiert. Du achtest auf die Zeichen Gottes statt deinen Plan durchzuziehen und dabei nicht zu merken, dass er dich völlig vom Weg abbringt. Und du lernst, mit dem zu leben, was du hast und daraus was zu machen. In meiner Heilsarmee-Zeit habe ich einen Satz von denen geradezu verinnerlicht: „Was wir nicht haben, brauchen wir nicht.“ Die waren geradezu Meister darin, dem Mangel einen Segen abzuringen.

Ich weiß, das klingt jetzt für die, die echt nicht wissen, wie es wirtschaftlich weitergeht, wie ein Ratschlag, der rüberkommt wie ein Tritt in die Kniekehle. Aber was bleibt einem manchmal denn wirklich übrig, als sich zu sagen: Wir sind hier bei „So isses“ und nicht bei „Wünsch dir was“! Ich kann so unzufrieden mit der Gesamtsituation sein, wie ich will: Das Beste, was ich jetzt tun kann, ist zu versuchen, aus der Zitrone, die mir das Leben gibt, Limonade zu machen, improvisieren zu lernen und daran zu glauben, dass Gott aus der Situation der Hilfsbedürftigkeit für mich einen Segen machen kann.

Ich glaube, mit dieser Haltung kriegst du auch die nötige Kondition, um den Langstreckenlauf mental durchzustehen, den unsere diese bekloppt Pandemie abfordert. Aufmerksam auf Gott zu bleiben und einen Schritt nach dem anderen zu gehen.

Drittens: „Hinterm Horizont geht’s weiter.“ Ein Nebeneffekt davon, wirklich in der Gegenwart und aus Gottes Hand zu leben, ist, die Zukunft in Gottes Hand zu wissen. Das Wort „Zukunft“ sagt doch eigentlich, dass sie uns entgegen kommt und nicht wir sie erreichen müssen! Immer mit raushängender Zunge und der Devise: „Wennde rennst, schaffstes noch.“ Wir sind doch alle auf diese Selbstoptimierung getrimmt. Bei uns ist Zukunft so was wie ein verheißenes Land, das du nur erreichst, wenn du alles richtig machst und dich gewaltig anstrengst. Dabei ist sie etwas, „das jeder, möge er sein oder tun, was er wolle, mit der Geschwindigkeit von sechzig Minuten in der Stunde erreicht.“ Hat C. S. Lewis mal gesagt.

Und so kommt Gott uns mit seiner Zukunft entgegen. Und das wird eine sein, wo dann alles gut ist. Und so lange stellen wir unsere Pläne unter den Vorbehalt „So Gott will“, machen einen Schritt nach dem anderen. Und machen gerne auch Pläne. Klar. Aber wir bitten Gott, dass er sie in seinen guten Plan einordnet, nicht umgekehrt. Das kann der besser: Unsere Wünsche in seinen Willen integrieren, als dass wir krampfhaft versuchen, seinen Willen in unserem Plan unterzubringen. Amen.