Im Abendgottesdienst mit den Ugandis.
English translation below.
(Kanzelgruß) Liebe Edinger (Greifensteiner)!
Neulich in der Fußgängerzone im tiefsten Ruhrpott. Er geht hinter ihr und ruft: „Eh, weißte wat du biss? Weißte wattu biss? – Du biss dein’ Absatz am verlieern!!“
Diese Zeitform gibt’s sonst nicht im Deutschen, nur im Ruhrgebiet, Schade eigentlich. Ich fand das jedenfalls nicht bloß so witzig, dass mir die Brille beschlagen ist vor Lachen, (das ist von dem Bochumer Comedian Hennes Bender, ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken), sondern auch geistreich.
Also, diese Zeitform könnte nämlich genau beschreiben, was ihr alle seid: Wisst ihr, was ihr seid? Ihr seid eure Bestimmung am Finden! Besser kann man das nicht ausdrücken. Ich erklär euch, was ich damit meine.
Du bist nämlich noch nicht fertig. Noch nicht mal N.N.! Ich habe früher immer gedacht: Wenn ich mal erwachsen bin, dann bin ich irgendwie fertig mit der Entwicklung. Dann bin ich wer. Aber das zog sich hin bei mir. Ich habe noch mit vierzig diesen Gedanken gehabt: „Wenn ich mal groß bin …“ Bis ich irgendwann gemerkt habe: Bin ich ja schon. Überraschung! Aber ich habe mich trotzdem irgendwie nicht „fertig“ gefühlt. Mein Leben ist immer noch eine Baustelle: Ich bin überhaupt nicht fertig. Kann man sein Leben eigentlich „fertig leben“?
Dein Leben ist eine Baustelle. Und bleibt eine. Eine, auf der nicht nur du selber an dir arbeitest. Jeder schraubt an dir rum, gibt dir ungefragt gute Ratschläge, reißt was ab, was andere da hingestellt haben, da soll noch was hin, da hinten muss umgebaut werden. Frauen wollen ihre Männer verändern, Männer bearbeiten ihr Sixpack, und du hättest gerne ne schönere Fassade und auch mehr Innenausstattung. Eigentlich geht das das ganze Leben so. Alle sagen dir: „Du musst was aus dir machen.“ Das ist der kategorische Imperativ im Zeitalter des kapitalistischen Individualismus: Ein Hornbach-Werbeslogan: „Mach‘s zu deinem Projekt!“ Mach was aus dir! Das kann sich ganz verschieden anhören: 4 „Du musst dich entfalten“ oder das Gegenteil: 4 „Du musst deine Pflicht tun!“ 4 „Du musst deinen Leben doch irgendeinen Sinn geben“ oder: „Quatsch keine Opern, du musst möglicht viel erleben und darfst nichts anbrennen lassen!“
Mach ruhig. Egal wie das sich anhört, wenn du aus deinem Leben was machen willst: Am Ende stehst du immer da und bist nicht fertig geworden. So wie früher bei der Mathearbeit. Wenn der Lehrer „Abgeben“ ruft und du noch die letzten Sachen aufs Blatt schmierst.
„Du bist mit deinem Leben nicht fertig geworden“: Das ist doppeldeutig, merke ich gerade. Du bist überfordert mit diesem Anspruch, dich zu vervollkommnen. Und trotz aller bemühten Versuche ist dein Leben eine Bauruine geblieben. Was du alles angefangen hast – Du bleibst eine unaufgeräumte Baustelle. Man kann sein Leben gar nicht fertig leben!
Es ist vielleicht gar nicht so wichtig, was du alles fertiggebracht hast im Leben. Das Entscheidende ist, ob dein Leben bloß deine eigene Anstrengung gewesen ist oder auch die Baustelle Gottes!
„Ihr seid der Tempel Gottes!“, steht in der Bibel. Hat Paulus mal gesagt. Und das seid ihr nicht erst, wenn ihr mal fertig seid, alles schön aufgeräumt und frisch gestrichen. Dass du eine Baustelle bist und zugleich der Tempel Gottes ist gerade kein Widerspruch! Der Kölner Dom zum Beispiel ist seit 800 Jahren eine Baustelle! Und wird immer eine bleiben.
Als Tempel Gottes musst du auch gar nicht fertig werden. Viel wichtiger ist, dass Gott bei dir an der Arbeit bleibt! Gott liebt nämlich die Baustellen! Er ist vor allem da zu finden, wo Menschen noch nicht fertig und perfekt sind, sondern „am Fertigwerden“ sind!
Gott ist nämlich auch noch nicht fertig. Das ist so ein Missverständnis des Glaubens: Alles, was Gott macht, wäre irgendwie immer perfekt. Gott macht keine Fehler und nie kippt was um. Dabei arbeitet Gott am liebsten mit fehlerhaften Werkzeugen und begrenzt ausgebildeten Aushilfskräften und baut gerade so seinen Tempel, der viel schöner ist als die Paläste, wo die Wasserhähne aus Gold sind und man sich die Füße abtreten muss, bevor man reindarf. Er baut mit Steinen, die alle ein bisschen schief und krumm sind und nur an einem einzigen Platz genau passen. Er kann aus dem krummsten Balken und mit den verbogensten Nägeln und den schroffsten Steinen was bauen, was tausendmal gemütlicher ist als alle unsere „Schöner-Wohnen“ Angeber-Häuser. Er benutzt solche Steine wie du einer bist, und ich. Und wenn du dir von Gott genau diesen Platz zeigen lässt, wo du hinpasst, dann bist du „deine Vollendung am Erreichen.“
Das ist die unerhört gute Botschaft: Gott macht aus deinem Leben was Schönes. Am Ende ist dein Leben vollendet, wenn du Gottes Werk bleibst! Egal wie viele Verletzungen du erlebt hast, wie viele Wünsche und Pläne von dir nicht in Erfüllung gegangen sind, wieviel wieder kaputt gegangen ist oder eben nicht fertig geworden ist, ob du Karriere gemacht hast oder nicht und deine Kinder ein Einser-Abi hingelegt haben und jetzt reicht und berühmt sind oder nicht. Also egal wie man dein Leben mit irdischem Maß misst.
Vielleicht sieht man die Vollendung erst ganz am Schluss. Augustinus, der afrikanische Kirchenvater, hat mal gesagt: „Das Haus Gottes sind wir selbst. Wir werden in der Welt aufgebaut, um am Ende der Zeiten geweiht zu werden.“ Das machen nicht wir selber. Diese Weihe. In dem wir uns selber fertig gebaut haben. Vollendung ist eine göttliche Kategorie. Und hat nichts, gar nichts mit Perfektion zu tun. Sondern mit der Schönheit, bei der die Liebe aus jedem Fenster scheint. Auch wenn das Haus windschief dasteht.
English translation
I don’t know if that works: Telling a joke in another language. I will try: Imagine a couple somewhere in a pedestrian area in any German town: He’s shouting more than he’s talking to her, as he is walking behind her: „You know what you are, do you know that? I tell you, what you are: You are … losing the heel of your shoe!“ OK … I don’t know if that’s funny for you, but in German it is funny. Anyway, this is not the reason why I’m telling you that, because you are maybe losing something. But, because this particular grammatical tense – the co-called „ing-form“ in English that we don’t have in our German language tells you something about your faith that is otherwise difficult to express: You are finding your destiny! What you are is always in progress. Until you die! You will never be finished with that, and that’s no problem! Not to be finished. To stay a work in progress. There is a saying of one of the famous African church fathers, St. Augustine from the 5th century that goes: „You are the house of God! That means you will be built up by God your whole life, and you will be finished and consecrated at the very end of your time, of your life. You‘re not finished before.“
So, the point I want to make is that it’s not you who has to build up your personality on your own: This is what people tell you the whole time: „You have to make something out of your life!“ The keyword is „self-realization“. At least in Germany this is the worldly way of thinking about yourself. I guess this is how most people think of themselves, that they have to develop themselves, you have to make something out of your life, improve your skills and so on. Thats OK to a certain point, I have nothing against having dreams and setting goals und trying to give the best. But, if you are under construction, the crucial question is: Who is at work? Who is in charge? And who is the architect? Is it you, or other people who tell you what to do, or is it, maybe … God?
So, folks, if this is true that God is the builder and the architect of your life, this doesn’t mean that you have to look for perfection! If Paul the Apostle says: „You are the temple of God“, that doesn’t mean that you have to be careful not to make a mess and be neat and tidy. The point is that God is still at work! I give you an example: The real big cathedrals like the famous Dome in Cologne: it’s under construction in the past 800 Years! It will never be finished! And God is never finished with you in your lifetime! In fact, he likes it that way. He likes to build up cathedrals out of stones that don’t fit with tools that don’t really function well: And in the end we will stare and wonder, what God creates out of all this. That means: God wants to build his kingdom with Sinners! Not with perfect people.
This is the gospel: If you‘re under God’s construction, you can be sure: You might be not finished, your life might not be perfect, there will be injuries, you might not accomplish your dreams and maybe there will be a lot of damage in your life, but God will use all this and will build something very beautiful out of this: This is what he always does. This is the perfection God is seeking!
So, don’t let God be just a worker under your command of your own construction site of your life. Let him be the architect! And you will be astonished what he will make out of your life. Did you remember what Saint Augustine, your African church father said: „You are the house of God! You will be built up by God and be consecrated at the very end of your time.“
Amen.
(Kanzelsegen)