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Predigt

31.07.22 – Armin Kistenbrügge – Dazugehören. Wollen.

Predigt: Dazugehören. Wollen. (Mt 20; Lk13)

Im Gottesdienst in der Reithalle auf dem Birkenhof am Sonntag, 31.7.2022

Liebe Greifensteiner (Edinger) Geschwister!

Drei Dinge braucht der Mensch, die sind genauso wichtig zum Leben wie atmen, essen, trinken und schlafen: 4 Du brauchst Liebe, ohne geht nicht, wirklich: Dass dir jemand vertraut und dir sagt: Gut, dass es dich gibt, nicht bloß weil du nützlich bist. 4 Du brauchst eine Aufgabe, eine Herausforderung. Playstation spielen, Handyvideos gucken oder Kreuzworträtsel ausfüllen ist auf Dauer nicht genug. 4 Und Menschen brauchen es, dazuzugehören. Menschen sind Herdentiere. Soziale Wesen. Das ist oft zugleich das größte Problem, die Frage: Wo gehöre ich hin? Wo darf ich mitmachen?

Das fängt im Kindergarten an, wer mitspielen darf und wer nicht. Das ganze Leben die gleiche Frage in unendlicher Variation: Wer ist in, wer ist out, wer passt dazu, wer gehört zum erlauchten Kreis und wer darf nicht mal zugucken?

Die Frage gibt es auch in der religiösen Variante: Wer darf bei Gott mit am Tisch sitzen? Wer kommt in den Himmel, wer wird gesegnet, wen „erwählt“ Gott? Als einer Jesus mal fragte: „Sag mal, wer gehört im Himmel denn jetzt dazu? Das schaffen doch nur die wenigsten“, da hat Jesus ihm geantwortet: „Wirf nicht schon vorher die Flinte ins Korn: Kämpf doch darum, dass Gott dich reinlässt, zieh den Bauch ein und zwäng dich durch die enge Tür rein!“ (Lk 13,22f.) Und im selben Kapitel, ein paar Verse weiter, dann das Gegenteil. Da ist Jesus dann bei einem der Erlauchten, bei einem Pharisäer zum Essen eingeladen. Und der glaubt sich schon auf der ewigen Liste und sagt: „Hach, Jesus, selig sind doch die, die bei Gott am Tisch sitzen.“ Aber Jesus erzählt ihm, wie Gott alle zu sich einlädt, zur Feier im Reich Gottes, und einer nach dem andern sagt ab und hat grad was superwichtiges zu erledigen oder muss noch 148 Mails checken und hat irgendeine fadenscheinige Entschuldigung, bis Gott am Ende entnervt die bei sich um den Tisch versammelt, die sich sonst immer ganz hintenanstellen mussten: Behinderte, Arme, Obdachlose.

Die beiden Reaktionen von Jesus in ein und demselben Kapitel! Dem, der denkt: „Ich komm da eh net rein“, macht er Mut, und dem, der sich schon wie selbstverständlich dazuzählt, lässt er bedröppelt stehen.

Das mit dem Dazugehören wollen ist eine zweischneidige Sache. Weil das zugleich mit Abgrenzung verbunden ist. Sich dazugehörig fühlen ist nämlich am allerschönsten, wenn das was Exklusives ist. Wenn man sich damit abgrenzen kann. Wenn welche ausgeschlossen sind.

Zum Beispiel ich. In der Schule in den 70ern. Ich hatte nicht die richtigen Jeans, nicht die teuren Wranglers mit dem Schlag, sondern die „normalen“ ohne das tolle „W“ auf der Hinterntasche, und nicht die richtigen Turnschuhe, „Adidas Fußpilz“ mit den drei Streifen, sondern Romika-Treter, da kannste wirklich keinen mit beeindrucken. Ich habe auch nicht die richtige Musik gehört, und ich war auch nicht der Schönste und Stärkste, sondern hatte ne dicke Brille. Denn um dazuzugehören, musste man so sein wie die. Sich anpassen, ja sagen und mit den Wölfen heulen.

Das alles gibt’s wie gesagt auch in der religiösen Variante: Ein Schwarzer hat in den USA mal versucht, Mitglied in einer presbyterianischen weißen Gemeinde zu werden, keine Chance. Als er Jesus das im Gebet erzählte, bekam er zur Antwort: Du kommst da nicht rein? Sei nicht traurig. Ich auch nicht. Hab‘s schon x-mal versucht.“

Ich wollte nie zu diesen Auserwählten gehören. Dieses Cliquendenken von denen, die sich für was Besseres halten, da hatte ich keine Lust drauf. Aber ich hatte diese tiefe Sehnsucht, irgendwo dazuzugehören, ohne mich so verbiegen zu müssen. Darum geht’s! Das braucht jeder. Nicht dieses Machtspielchen ums Mitmachenlassen.

Wenn man sich jetzt ansieht, wen Gott auswählt, wer zu ihm gehören soll, dann sieht das anders aus als das alte Spiel von eben. 4 Jesus hat sich als Jünger zum Beispiel nicht die Tollsten und Schlausten ausgesucht, sondern zwölf ziemliche Normalos mit sehr durchschnittlichem Intelligenzquotienten, die auch moralisch keine Überflieger waren. 4 Und der Apostel Paulus fragt die Korinther Gemeinde, die sich für ein bisschen was Besseres hielt, weil der Heilige Geist bei ihnen eine Party nach der anderen feierte: Jetzt guckt euch doch mal an, wen Gott zu sich in seine Gemeinde beruft: Das ist nicht die geistige Elite, sondern so Leute wie du und ich!“ (1. Kor 1,26)

Aber wenn du bei Gott dazugehörst, dann passiert etwas Überraschendes. Gott spielt nicht das blöde alte Spiel: „Du bist drin, und du musst draußen bleiben“ und sagt zu den einen: „So, jetzt gehörst du dazu, du bist jetzt einer von den tollen Auserwählten.“ Er sagt: „Kannst du mir helfen? Ich brauche dich.“

Kennt ihr den Film „Bruce Allmächtig“ mit Jim Carrey? Da gibt es diese Szene, wo Bruce von Gott zu einem Treffen bestellt wird. Nicht an einen exklusiven Ort, sondern in eine fast leere Fabrikhalle. Und da trifft er Gott. Nicht im weißen Anzug, den hat er drunter unter dem Blaumann, den er trägt, wie sich später herausstellt. Und Gott wischt den Boden und fragt ihn: „Sag mal, kannst du mir helfen?“

Wenn Gott dich beruft, wenn er möchte, dass du dazugehörst, dann ist damit immer eine Aufgabe verbunden. Wenn Gott dich segnet, dann gibt er dir damit Verantwortung. Eltern mit kleinen Kindern (ich hatte in Greifenstein gerade noch einen Taufgottesdienst) wissen, wovon ich spreche. Segen lässt einen nicht nur jubeln, sondern auch seufzen.

Jesus erzählt mal eine Geschichte von Tagelöhnern, die frühmorgens am Busbahnhof stehen und Arbeit brauchen. Ihr habt das Gleichnis gerade von Hannelore gehört! So fühlt sich das an, zu Gott zu gehören! Wenn er dich abholt und dir was in die Hand drückt, womit du ihm helfen kannst.

Gott will nämlich nicht bloß ein paar Zuschauer bei sich haben, die ihm brav applaudieren, ein paar Gläubige, die immer Amen sagen und sich für was Besseres halten, sondern Mitarbeiter! Ich habe früher immer gedacht, ich müsste den Leuten sagen, wie sehr sie Gott brauchen und dass sie ohne ihn keinen Meter weit kommen. Aber mindestens genauso braucht Gott Menschen bei seiner Mission, die Welt zu retten, uns zu sich zurück zu lieben, Frieden zu schaffen und den Frust in Freude zu verwandeln. Er will das nicht alleine machen, sondern mit uns zusammen! Weil Gott Menschen nicht zack von oben erlöst, sondern Menschen durch Menschen retten will.

Deshalb bekommt man bei Gott, wenn man dazugehört, sofort eine Aufgabe. Eine kleine Last aufgelegt, die man tragen kann: Jemanden, den man lieben soll, dem man was erzählen soll von der schönsten Geschichte der Welt. So was.

Ihr kennt doch alle die berühmte Bibelstelle, wo Jesus sagt: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken! (Mt. 11, 28) Weißt du, wie die weitergeht? Man könnte ja denken, dass Jesus so was sagt wie: Ich nehm‘ euch eure Last ab, ihr müsst euch nie mehr abschleppen und so weiter. Aber da steht: „Nehmt auf euch meine Last und lernt von mir.“

Du gehörst nämlich nicht zu irgendeinem erlauchten Kreis der Erlösten, die keine Probleme und keine Schmerzen mehr haben und mitleidig die andren bedauern, die sich immer noch abstrampeln. Du gehörst zur Mannschaft der Weinbergs-Erntehelfer, oder zu Gottes Rettungs-Assistenten, je nach dem, welche Geschichte du nimmst.

Ich kenne keine Geschichte in der Bibel, wo Menschen zu Gott gefunden haben und zu ihm gehören wollten, die nicht an seiner Arbeit beteiligt wurden. Beteiligt, nicht ausgebeutet oder zur Fronarbeit gezwungen! Als würde dich Gott an seinen Tisch einladen, und du sollst erstmal spülen gehen!

Beteiligung ist was anderes. Dabei passiert eine entscheidende Veränderung mit dir, wenn du zu Gott gehörst: Du bist nicht mehr auf einer fremden Party, sondern das ist auf einmal dein Fest. Und du willst, dass es allen gut geht und keinem was fehlt.

Dann ist aus einem Kunden von Gottes Barmherzig­keit ein Teilhaber von seiner Firma geworden. Von Gottes Weingut sozusagen. Wenn du einen fragst, der in Gottes Weinberg arbeitet, was er da macht, der antwortet nicht: „Ich schneide diese blöden Trauben ab und schmeiße sie in die Kiepe, siehste doch! Was fragst du so dämlich! Steh mir nicht im Weg, gleich hab ich Feierabend.“ Er wischt sich den Schweiß aus den Augen und sagt: Wir machen hier den besten Wein, den du kriegen kannst. Den Wein der Freude.“ Das meine ich mit Beteiligung.

Die Frage ist eigentlich nur noch, ob du auch mitmachen willst. Beteiligt sein möchtest. Ich sag jetzt nicht einfach: in der Gemeinde mithelfen. Sondern sich von Gott zeigen lassen, wo er dich gebrauchen kann. Vielleicht suchst du ja was, wo du deinen Dank, dass es dir noch relativ gut geht, mal weitergeben kannst und stolperst über die Möglichkeit, eins von unseren Patenkindern in Uganda zu unterstützen.

Vielleicht sagst du ja auch: „Ich bin doch kein Kunde! Das ist meine Kirche! Das ist meine Gemeinde. Ich gehöre dazu. Ich will, dass die Kirche im Dorf bleibt! Das wäre schön. Denn wir brauchen euch. Ohne euch gibt’s kein Wir. Ohne euch gehen hier die Lichter aus, und wir haben in Edingen und in Greifenstein nur noch eine Filiale, die von irgendeiner Zentrale aus versorgt wird. Versorgt ist dann das richtige Stichwort. Wir wollen aber nicht versorgt werden, sondern selber produzieren! Denn das schmeckt am besten. Amen.