Unser Audio-Podcast aus der Kirche in Edingen mit Pfr. Dr. Armin Kistenbrügge an Ostern.
Predigttext
Predigt über Markus 16,1-8
Am Ostersonntag, 9.4.2023 in Greifenstein und Edingen
Liebe Edinger (Greifensteiner) Geschwister!
Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!
Das haben wir uns ja jetzt schon mehrmals zugesagt und werden das in diesem Gottesdienst auch noch ein paarmal tun. Danke, dass Ihr mitmacht! Wir brauchen das: wir müssen uns gegenseitig vergewissern und stärken, damit wir es glauben können. Dietrich Bonhoeffer hat mal gesagt: „Der Christus im Zeugnis der anderen ist stärker als der Christus im eigenen Herzen.“ Gut, dass wir uns gegenseitig bestärken können und uns vom Karfreitag zum Ostersonntag hinüberhelfen können. Das war an Ostern von Anfang an bitter nötig.
Ist euch beim Hören des Bibeltextes gerade was aufgefallen? Wir haben die Ostergeschichte aus dem Markusevangelium gehört. Bei Markus endet die Ostergeschichte mit dem Schrecken und dem Schweigen der Frauen. Ihre Angst ist ja auch zu begründet: Sie sind einem Engel begegnet. Ich weiß nicht, wie das ist, aber alle, von denen in der Bibel berichtet wird, dass sie einem Engel begegnet sind, haben vor Angst gebebt. Als kleiner Junge habe ich das nicht verstanden. Engel sind doch wunderbar und wunderschön und liebevoll und gut. Engel halt. Ich konnte mir damals noch nicht vorstellen, dass auch das Wunderbare und Gute, das Schöne und Heilsame erschreckend sein kann, wenn es in übermenschlichem Maß auftritt. Gottes Lebensfreude und Lebenskraft zu begegnen haut einen offensichtlich um. Diese Schönheit und Liebe sprengt alle menschlichen Dimensionen, und das macht Angst. Ich stelle mir auch vor, dass die Frauen deshalb so erschüttert waren, weil sie Jesus nun schon zum zweiten Mal in so kurzer Zeit verloren haben. Erst am Kreuz, als er gestorben ist, und dann nochmal, als sein Grab leer war, wo sie ihm nah sein wollten in ihrer Trauer. Wo sollen sie jetzt hin mit ihrer Trauer? Sie sollen nicht mehr trauern? Nicht mal mehr das? Ist Jesus jetzt ganz weg aus ihrem Leben? Der Abgrund der Verzweiflung in ihnen muss bodenlos gewesen sein; die Worte des Engels einfach unverständlich und sinnlos. Und dann haben sie wohl auch deshalb geschwiegen, weil ihnen eh keiner geglaubt hätte. Aber offensichtlich haben sie ja doch nicht geschwiegen wie ein Grab. Offensichtlich gab es auch in ihnen eine Auferstehung. Die Worte des Engels sind in ihnen lebendig geworden und haben angefangen aufzublühen. Denn schließlich sitzen wir ja heute Morgen hier und mit uns sehr viele mehr, weltweit, die davon gehört haben, dass Jesus auferweckt worden ist und in deren Herzen diese Worte auch lebendig wurden und aufgeblüht sind.
Irgendwer muss also was weitererzählt haben. Wahrscheinlich waren es die Frauen.
Frauen, die den Mut hatten, sich ihren Ängsten und dem Abgrund der Trauer in ihnen zu stellen und zuzulassen, dass in dieser Finsternis ein Licht aufgehen darf.
Das ist manchmal eine echte Herausforderung und fordert Mut, Hoffnung zuzulassen. Sozusagen im eigenen Herzen für die Freude die innere Tür einen Spalt zu öffnen. Dem Leben eine Chance zu geben. Das braucht deshalb Mut, weil das Leben viel unberechenbarer ist, als der Tod. Und die Freude am Leben tritt weniger überzeugend auf, als Sorgen und Ärger:
Vielleicht bilden wir uns das ja alles nur ein? Wo soll das hinführen, wenn ich meine felsenfesten und grabesschweren Überzeugungen von der inneren Schwerkraft des Lebens loslasse?
Aber ich will hier mit euch keinen „Think-positive-Kurs“ machen. Lasst uns lieber gemeinsam nochmal hinhören, was der Engel den Frauen damals gesagt hat. Diese Worte scheinen ja durchaus die Kraft zu haben, dem Leben ans Tageslicht verhelfen zu können.
Der Engel aber sagte zu ihnen: »Ihr braucht nicht zu erschrecken! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte.
Geht nun zu seinen Jüngern und sagt zu ihnen, auch zu Petrus: ›Er geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch angekündigt hat.‹«
Ist in diesen Worten auch für uns was drin, was auf den Boden unserer Seele Freude sät? Vielleicht ist: „Ihr braucht nicht zu erschrecken“ der wichtigste Satz überhaupt, den wir gerade so dringend brauchen! Weil uns so viel erschreckt. Diese ganzen Veränderungen, so vieles geht kaputt und stirbt: das Dorfleben, wie wir es kannten, die Wälder sind krank, Insekten und heimische Singvögel werden immer weniger, aber auch Freundschaften und Familienbande lösen sich auf. (Mein Leben wird anders verlaufen als das unserer Eltern und Großeltern. Wir werden uns mehr anpassen müssen, die Bäume wachsen nicht mehr in den Himmel …) Es ist echt zum Gruseln!
Könnt ihr euch das sagen lassen: „Ihr braucht nicht zu erschrecken!“ Könnt ihr das hören? Könnt ihr dieser Zusage einen Spalt zu eurem Herzen öffnen? Heute gilt das für euch, egal, was euch gerade bekümmert: „Ihr braucht nicht zu erschrecken! “Denn heute ist Ostern. Jesus ist auferstanden! Das Leben hat gewonnen. – Aber halt: Der Engel macht noch einen Zwischenschritt und gibt den Frauen Raum, damit ihre Seele nachkommen kann: „Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten.“ Ich formuliere das mal für uns um: „Ihr sucht Jesus, ihr sucht Gott in dem, was ihr bisher von Gott verstanden habt.“ Das ist okay, aber: Gott ist so viel mehr – Jesus ist schon ein paar Schritte weiter. Er ist nochmal ganz anders, lebendiger, realer, zukunftsöffnender, als ihr es bisher für möglich gehalten habt. Er ist euch schon einen Schritt voraus. Wo auch immer euer Weg hinführt: Jesus erwartet euch da schon. Und ihr werdet ihn dort erfahren, erleben, neu kennenlernen.
Könnt ihr das hören? Habt ihr den Mut, euch neu auf die Suche nach Gott zu begeben? Jesus nochmal ganz anders kennenlernen zu wollen? Oder habt ihr schon viel zu viele enttäuschende Versuche hinter euch, Gott zu finden? Vielleicht ist Jesus einfach nicht da, wo du bisher gesucht hast? Da, wo die Frauen nach Jesus gesucht haben war er jedenfalls nicht. Aber wo dann? Was ist denn dann die gute Osterbotschaft an dem, was der Engel sagt? Das Jesus nicht hier ist? Dann klingt auch das „Ihr braucht nicht zu erschrecken!“ nach „Heile, heile, Gänschen“. Aber dabei bleibt es nicht. Die Frauen bekommen vom Engel noch zwei Dinge: Eine strahlende Zusage und einen konkreten Auftrag.
Ich nehme euch mal gerade mit auf einen kurzen Ausflug in die Welt von Kerstins Lieblingsbuch, dem Herrn der Ringe. Ich vermute, ihr kennt die Geschichte: Frodo macht sich auf den Weg aus der heilen Welt des Auenlandes in das finstere Land des Bösen, nach Mordor, um dort, im Zentrum der Macht des Bösen, den Zauberring zu vernichten. Unterwegs bekommt er Hilfe und Unterstützung von seinen Freunden, von Menschen und Zauberern und von Elben. Bevor er zum letzten, einsamen und gefährlichsten Abschnitt seiner Reise aufbricht, schenkt ihm die Elbenkönigin eine Phiole. In das Glas ist ein strahlendes Licht eingeschlossen. Es ist in dem Moment, als er sie geschenkt bekommt, noch nicht zu erkennen, denn das Licht wird erst dann richtig strahlen, wenn der Weg für Frodo am Finstersten und Ausweglosesten sein wird. Frodo wird es bei sich tragen, es manchmal auch verbergen, ja, es sogar vergessen, aber zu seiner Zeit wird sein Strahlen ihm das Leben retten und ihm neuen Mut und Lebenskraft schenken und ihn über alle Abgründe hinweg mit der Elbenkönigin verbinden.
Eine solche Phiole ist die Zusage des Engels für jede und für jeden von uns: „Jesus ist auferstanden!“Wie seht dieses Licht in uns strahlen wird und wie es unser Leben rettet und uns neue Lebenskraft und Zuversicht schenken wird, dass wird sich auf unserem Weg erst noch erweisen. Aber ab jetzt tragt ihr diese Phiole in eurem Herzen. Das ist das Geschenk des Engels an uns. Unser Osterei. Deine Osterüberraschung.
Aber sie entfaltet ihr Strahlen nur auf dem Weg.Zum Glück ist der Weg, auf den die Frauen und auf den auch wir geschickt werden, nicht der Weg nach Mordor.Den Weg ins Zentrum des Bösen hat ja Jesus gerade für uns bewältigt. Da müssen wir nicht mehr hin.Der Engel schickt die Frauen einfach nach Hause! Zurück zu ihren Familien. Zu ihren Freunden, in ihre Dörfer.
Er schickt sie zurück in die Geborgenheit ihrer Heimat und in die Vertrautheit ihres Alltags. Da wird ihnen Jesus begegnen. Das ist ja vielleicht sogar noch schwerer zu glauben, als würden sie auf eine Abenteuerreise geschickt. Wie sollen sie Jesus denn neu und anders erleben, wenn alles um sie herum beim Alten bleibt?Haben die Frauen den Mut dazu, diesen Gedanken zuzulassen und für diese völlig unwahrscheinliche Möglichkeit offen zu sein?Haben wir den Mut? Uns zum Trost erzählt Markus ja, dass sie den Mut erstmal nicht hatten. Von Mut konnte bei ihnen erstmal keine Rede sein. Aber auf den Weg haben sie sich trotzdem gemacht, wenn auch nicht besonders mutig. Einen Schritt nach dem anderen sind sie zurück in ihr Leben gegangen, weg vom Grab, mit dem verborgenen Licht der Phiole im Herzen.
Markus endet seine Erzählung hier. Weil er will, dass wir mitgehen. Mit dem noch verborgenen Licht und der zögerlichen Erwartung in unseren Alltag gehen und dort nach Jesus Ausschau halten: Dort werdet ihr ihn sehen. Das hat der Engel den Frauen versprochen, und Markus erzählt es weiter, weil das Versprechen auch für uns gilt: In eurem Alltag werdet ihr erleben, dass es stimmt: Jesus ist auferstanden. In eurem Alltag werdet ihr erleben, wie dieser Satz in euch lebendig wird, wie er eure dunkele Gedanken und traurigen Tage stört und rausholt und erinnert werden will, gerade dann, wenn’s hoffnungslos erscheint. Dann fängt er an zu leuchten und umhüllt euch mit Lebenskraft und Freude. Amen.