Predigt über Mt 7,7 (Jes 65,1): Gesucht. Gefunden. Worden.
Im Gottesdienst am 9./10.. So n. Trin, 18. Und 25.8. in Edingen und Greifenstein
Liebe Edinger (Greifensteiner) Geschwister! Jeder hat diese Sehnsucht. Und sucht. Nach dem großen Fund. Nach der Wahrheit. Oder nach der großen Liebe. Wie mit so einem Metalldetektor, mit dem man am Strand langgeht, den Sand abhorcht und darauf wartet, dass es irgendwann piept. Und dann ist es doch bloß ein Bierdeckel, eine olle Sandkastenschippe, ein Nagel, aber du machst weiter, weil hinter der nächsten Düne vielleicht der große Schatz wartet. Und selbst wenn du was Wertvolles findest, machst du weiter, weil ja unter Umständen noch was Spektakuläreres dahinter verborgen ist. Die Suche hört nie auf. Das scheint im Glauben genauso zu sein. Wenn du genauso nach Gott suchst.
Ich fühle mich dabei immer an das Gleichnis eben erinnert, vom verborgenen Schatz im Acker und von der schönen Perle im Laden. Das wirkt auf mich auf doppelte Weise: Zuerst höre ich die Szene und freue mich mit, aber dann komme ich ins Nachdenken: Wie wertvoll muss der Schatz eigentlich sein, damit du alles dafür raushaust? Und wenn also Gott so wie die seltene Perle sein soll, für die man alles aufgibt, wenn man ihn mal gefunden hat, dann habe ich ihn auf jeden Fall noch nicht gefunden.
Wie geht das: Gott finden? Wo muss man suchen? Das Leben ist ja keine Schnitzeljagd, wo Gott sich versteckt hat und für die ganz Eifrigen ein paar Hinweise in die Bibel reingeschrieben hat. Aber trotzdem suchen die Menschen nach Gott wie beim Blindekuhspielen, hat Martin Luther mal gesagt: Mit verbundenen Augen tappen sie durchs Leben, und ab und zu brüllt mal einer, der irgendwas zwischen die Finger bekommen hat: „Da! Jetzt hab ich ihn!“
Und Gott ist ganz woanders und ruft: „Hier bin ich! Haalloo! Hiehier!“, meinte schon der Prophet Jesaja der dritte, ungefähr 500 vor Christus (Jes 65,1)
Die Suche geht weiter. Ich habe den Eindruck, die Menschen heute suchen genauso nach Gott, vielleicht sogar mehr als früher. Überall. Nur nicht bei uns. Ich habe auch mal als Gott-Sucher angefangen. Für mich war das wirklich eine Suche, ich hatte Fragen. Mein Konfirmationsspruch war nicht umsonst Matthäus 7.7: „Sucht, und ihr werdet finden.“ Aus der Bergpredigt. Ich bin mit 18 ins Kloster gegangen. Habe meditieren geübt. Stilleübungen gemacht. Gelesen. Viel. Gegrübelt. Und was ich gerade kapiert hatte, meine jeweils aktuelle Einsicht und Erfahrung war für mich jedes Mal sowas wie eine Offenbarung. Und trotzdem würde ich von heute aus sagen, dass ich ganz schön an Gott vorbeigeeiert bin. Das will ich euch ein bisschen erklären.
Das liegt daran, das musste ich auch erstmal kapieren, dass es bei der Suche nach Gott nicht um irgendwelche Antworten geht, die du kriegst. Wenn du bei Google „Gott finden“ eingibst, kriegst du so viele Treffer, dass dein Leben nicht ausreicht, sie bloß aufzurufen! Du kriegst Antworten, jede Menge, und die, die was taugen, werfen auch bloß wieder neue Fragen auf.
Gott suchen bedeutet eher, nach der großen Liebe zu fragen. Macht die Sache aber manchmal auch nicht einfacher. Das ist dann wie bei der Partnersuche. Die läuft heute wie im Restaurant. Du hast eine Riesen-Speisekarte. Die einen lesen erstmal die ganze Speisekarte, bis ganz zum Schluss und dann nochmal zurück. Die wollen das Optimale rausholen und können sich einfach nicht entscheiden und kommen einfach nicht zu Potte, und dann versuchen sie zu bestellen: „Also ich hätte ja gerne den Zander, aber medium und mit Bratkartoffeln, oder lieber doch die Lasagne, aber ohne Tomaten und Käse und statt der Nudeln lieber Kroketten. Oder warten sie, ich guck nochmal.“ Die anderen gucken rein in die Karte, „ah ja, das gibt’s so ungefähr“, haben Appetit und wollen was essen und ihr Leben nicht mit Gucken verbringen, und wenn sie etwa ein Drittel der Karte gelesen haben, nehmen sie das nächste Gericht, das ihnen lecker vorkommt. Fertig. Dann klappen die die Karte zu und wollen gar nicht wissen, was es noch gegeben hätte oder was sie vielleicht verpassen.
Bei der Suche nach der Liebe fürs Leben ist das genauso. Aber die anderen hören zum tausendsten mal schmachtend Max Giesingers „Einer von 80 Millionen“ und können die Suche nach der Einen nie aufhören, weil da draußen ja vielleicht noch die Eine wartet, die noch besser passt, und haben deshalb diese moderne Unfähigkeit kultiviert, sich nicht binden zu können.
Ich glaube, bei der Suche nach Gott gibt’s so was Ähnliches. Ich meine jetzt nicht das Aussuchen aus der Speisekarte, wo du dir was zusammenstellst, wovon dir hinterher schlecht ist. Was ich meine, ist, dass du nicht aufhören kannst mit Weitersuchen. Und dich nicht bereit bist, dich wirklich zu binden.
Das entscheidende aber bei der Suche nach Gott sind zwei Sachen, habe ich gelernt: Erstens: Du musst wirklich nach der Liebe suchen. Gott suchen heißt, die Verbindung mit ihm zu suchen. Und ihn zu finden bedeutet, dass du anfängst ihm wirklich zu vertrauen. Ihn sogar zu lieben. Man kann sich zwar nicht auf Kommando verlieben, aber man muss sich wenigstens verlieben wollen. Wer eine Frau sucht und wie das Gericht in der Speisekarte, findet niemand. Und wenn man Gott sucht, muss man auch die Antennen ausfahren. Das heißt, du musst nach einer echten Verbindung suchen. Also nicht nach unverbindlichen Antworten fragen, sondern Gott selber ansprechen. Und bereit zu sein für das, was er zu sagen hat.
Wenn Jesus den Leuten Mut macht: Wer sucht, der findet auch!“, dann heißt das: „Wenn du nicht weißt, wo Gott ist, dann frag ihn doch! Such nicht nach Antworten, sondern nach dem, der antwortet! Klopf an! Bitte ihn, sich zu zeigen, er macht das gerne! Das war ein bisschen so wie schon beim Propheten Jeremia, der den Leuten im babylonischen Exil Mut gemacht hat. Die hatten schon fast resigniert, weil sie dachten: „Wir waren einfach zu blöd. Wir haben Gott verloren.“ Aber Gott sagte: „Wenn ihr mich von ganzem Herzen sucht, dann will ich mich von euch finden lassen.“ (Jer 29,13) Da kommts offensichtlich nicht auf die Suche an, sondern auf das Herz, das Gott findet.
Die Antennen auszufahren, damit meine ich die Bereitschaft zum Staunen über das nicht Alltägliche. Für wen das eigene Leben so selbstverständlich ist wie morgens aufzustehen, den interessiert es auch nicht, woher er kommt, was er hier soll und wo er hingeht. Wenn du dich nicht von Gott überraschen lassen willst, wenn du dich nicht wundern kannst, dann wunder dich nicht darüber, dass du von Gott einfach nichts merkst.
Und das zweite ist: Du musst dich finden lassen. Frag jeden, der sich wirklich mal verliebt hat. Das ist immer so, als wäre man selber gefunden worden, nicht so, als hättest du dir irgendwas ausgesucht wie in der Speisekarte und dann das Passende gefunden. Eigentlich ist es auch das, worüber Max Giesinger in seinem Song so staunt: „Ich hab so gesucht, nie was gefunden, hatte eigentlich schon aufgegeben, und dann bist du gekommen. Und hast mich gefunden.“
Gott zu finden ist eine ähnliche Erfahrung. Es ist wirklich die Überraschung: „Hey, der liebt mich wirklich! Der hat die ganze Zeit nach mir gesucht. In der Geschichte, wo Gott den verlorenen Sohn in die Arme nimmt, bin ich gemeint, oder wenn der Hirte sein verpeiltes Schaf, das auf der Suche nach Löwenzahn zum Nachtisch in unwegsames Gelände geraten ist, wo man nicht mehr vor und zurückkommt, dann erkenne ich mich wieder! Das heißt es, wenn du die Bibel so liest, als stünde in der uralten Schwarte was über dich drin! Wo du gemeint bist. Das auf sich zu beziehen, ist übrigens auch wieder ähnlich wie bei Menschen, die nach Liebe suchen. Dann passiert das, dass sich deine Suche umkehrt und du stattdessen gefunden wirst! Amen. (Kanzelsegen)