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Predigt

08.09.19 – Armin Kistenbrügge – Tag des offenen Denkmals

Predigt über Hebr. 13,8: „Jesus Christus – Gestern, Heute und derselbe auch in Ewigkeit“ – am Tag des offenen Denkmals am 8.9.2019 in Greifenstein (11 h)

Liebe Geschwister in Greifenstein, Morgen ist heute doch schon gestern! Das, was besonders aktuell sein will, ist immer am schnellsten veraltet. Nichts ist so alt wie die Tageszeitung von gestern. Ich habe den Eindruck, der Takt für das Veralten wird immer schneller. Ich bin‘s noch gewohnt, in Dekaden zu denken. Da hatten die 60er, die 70er und die 80er ihr eigenes Lebensgefühl. Wo die, die grad modern waren, mit wohligem Schaudern die Augen hochgezogen haben, wenn sie an das Jahrzehnt davor dachten. An diese Glasbausteinbrillen aus den 70ern oder die gestreiften Röhrenhosen aus den 80ern. Das gibt’s heute gar nicht mehr! Sogar auf den Wandel ist kein Verlass mehr. Geht alles viel zu schnell.

Was hat eigentlich noch Ewigkeitswert? Es gibt nicht Wenige, die verstehen die Welt nicht mehr, wollen das Alte zurück, und dass alles so bleibt, wie es angeblich mal war und wählen politisch die Rolle rückwärts.

Ihr erwartet jetzt wahrscheinlich, dass ich hier behaupte: „Aber die frohe Botschaft, die kommt nicht aus der Mode“, weil sie nie „in“ war. Und beschwöre das Schöne, Gute, Wahre, die einen nicken und fühlen sich bestätigt, die andern wenden sich ab und kriegen ihr Vorurteil bestätigt.

Unterliegt der Glaube eigentlich auch diesem ständigen Wandel? Darüber möchte ich mit euch nachdenken. Ich habe euch dazu nur zwei Verse aus dem Hebräerbrief mitgebracht: Hebräer 13,8 und 9. Zwei Verse.

„Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit. Lasst euch nicht durch irgendwelche fremden Lehren irreführen.“

Bei einem Jugendgottesdienst-Hearing hieß mal das Motto: „Gott wird auch immer jünger“. Fand ich gut. Aber ich, ich werde definitiv nicht jünger. Die Zeiten ändern sich. Und was trotzig bleiben möchte, wie es ist, setzt Staub oder Patina oder Rost oder Schimmel an. Das gilt auch für das Evangelium: „Wenn wir das, was die Väter taten, so tun, wie die Väter es taten, tun wir gerade nicht, was die Väter taten!“

Nur Jesus Christus ist derselbe geblieben. Sagt der Hebräerbrief. Er hat die letzten 2019 Jahre überdauert, ohne Falten zu kriegen, ohne als total gestrig nur noch fürs Heimatmuseum zu taugen. Ich weiß, ich fang schon wieder an. Der Vers ist eine Steilvorlage für jede Gardinenpredigt gegen den Zeitgeist. Und ist so vorhersehbar, dass man gar nicht anzufangen bräuchte. Und gehört schon damit zum Inventar eben dieses Zeitgeistes. Ich mach’s ein bisschen spannender und versuche das mal mit Leben zu füllen, was das heißt: „Jesus, derselbe 1719, 2019 und 2069. Gestern, heute, und immer.“ Wir machen drei Zeitreisen. Eine, um Jesus 1907 zu begegnen. Eine in die Gegenwart. Und eine nach 2067 und in die Ewigkeit.

1. Gestern

Erste Zeitreise.

Ich würde wirklich gern mal Mäuschen spielen in einem Gottesdienst von damals, 1719. Unten im Dorf wohnten sie in niedrigen Häusern, die von Lehm und Kuhmist zusammengehalten wurden. Die schrecklichen Geschichten vom großen 30-jährigen Krieg, der ein Menschenalter gedauert hatte, und von der Pestepidemie in der Gegend waren noch keine alten Märchen, sondern lebendige Erinnerungen. Damals war das, was die Leute am besten konnten, das Sterben. Das konnten schon die Kinder. Die haben meistens das erste Lebensjahr gar nicht überlebt. Und dann kamen die Leute hier in „ihre“ Kirche, und ob sie wollten oder nicht, sie mussten ihren Blick heben und sich aufrichten! Das war für die Leute ein vorgezogener Besuch im Himmel! Da stand oben: „Vor dir, o Gott, ist Freude die Fülle und ein liebliches Wesen zu deiner Rechten immer und ewiglich.“ (Ps 16,11, das Feld zeigen)

Klar, die Sitzordnung in der Kirche wollte auch alles bewahren, wie es seit Menschengedenken war, unten die Frauen, oben die verheirateten Männer, auf der schmalen Empore die unverheirateten Männer, die bloß keinen Blick auf die Mädchen kriegen sollten, und darunter die gefallenen Mädchen, damals dachte man wahrscheinlich, in dieser moralischen Hackordnung ist auch der Himmel aufgebaut. Und die jungen Männer und gefallenen Mädchen hatten den Spruch „Wen der Herr liebt, den züchtigt er“ vor Augen.

Aber sie haben auch die modernen Lieder gesungen, die was von der Freude, mitten im Leide sagen, wenn man sich an Jesus festhält. „In dir ist Freude, in allem Leide …“ Das hatte eine Melodie, die war damals noch total in, eine Bransle gay, ein französischer Tanz, und die alten Männer fanden das unerhört! Aber eine alte Frau mit Dutt beruhigte ihren Mann: „Die Zeiten ändern sich halt, Mann. Lass sie. Es ist doch derselbe Heiland wie unserer.“

2. Heute

Zweite Zeitreise. Ins Heute.

Die Zeiten ändern sich. Ich verändere mich. Für Konfis oder Kids unter 14 bin ich ein Dinosaurier. Und ein bisschen stolz bin ich schon drauf: Immerhin habe ich noch mit einer echten Schreibmaschine geschrieben, könnte sogar ein schwarzes Bakelit-Telefon mit Wählscheibe mühelos bedienen und eine Straßenkarte lesen, wenn’s sein müsste. Aber auf die Höhe der Zeit, da komme ich schon nicht mehr rauf. Nix mehr zu machen. Da geht mir vorher die Puste aus. Die Zeiten ändern sich. Und ich komm schon nicht mehr mit.

Ich könnte mir‘s jetzt natürlich leicht machen und einfach Bestimmtes für zeitlos erklären. Was ich für zeitlos halte. Ist ja klar. Eine zeitlose Wahrheit oder so. Der Knackpunkt aber ist nicht, wie eine allgemeine Wahrheit über die Zeit konserviert werden kann, sondern wie Jesus derselbe für mehr als eine Generation sein kann. Ob wir es auch heute schaffen, dass Alte und Junge zusammen denselben Jesus meinen. Und nicht nur das Bild, das jeder schon mit sich rumträgt.

Die Frage ist, ob Jesus selber auf der Höhe der Zeit ist. Und da merke ich auf einmal: Wenn der lebendige Christus uns begegnet, erst dann sind wir im wahrsten Sinne auf der Höhe der Zeit. Dann ist „Heute“ wirklich Heute und nicht das Vorgestern von Übermorgen.

Es kommt nicht darauf an, ob wir entweder mit der Zeit gehen oder umgekehrt allem, was wir als Zeitgeist enttarnt zu haben meinen, trotzig die kalte Schulter zeigen, wenn wir sagen: „Jesus, Gestern und Heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ Punkt. Ende der Diskussion. Kopp aus.

Auf der Höhe der Zeit sind wir, wenn wir uns auf Jesus so einlassen, dass nur seine Gegenwart zählt. Wenn Jesus uns meint, wenn wir ihn selber sagen hören: “Ich muss heute in dein Haus kommen“. Oder “Heute, wenn ihr meine Stimme hört, dann verschließt eure Herzen nicht.“ Auf der Höhe der Zeit sind wir, wenn wir Gottesdienst feiern, als gäb’s kein Morgen. Als wäre er wiedergekommen und käme gleich um die Ecke. “Siehe, Heute ist die Zeit der Gnade, jetzt ist der Tag des Heils.“

3. … und derselbe auch in Ewigkeit

Dritte Zeitreise.

Und jetzt noch die letzte Zeitreise: Gottesdienst in Greifenstein 2069 sonntags um 23 Uhr. Zum Glück gibt’s doch noch ein paar Zeitnischen, wo nur ganz Wenige arbeiten, seit der Sonntag abgeschafft und der Ruhetag individualisiert worden ist. Gerade sind neue ergonomische Sitze angeschafft worden, mit direktem Display an den Rücksitzen, auf denen die Liedertexte und DVD-Clips eingeblendet werden können, eine Direktschaltung zu sämtlichen anderen christlichen Events in aller Welt möglich ist und die Teilnehmer dem Prediger schon während der Predigt direktes feed-back geben können. Berühmte christliche Prediger können über 3D-Animation als Holo-Deck-Animation auf die Kanzel gebeamt werden, und natürlich auch die neuesten Praise-Stars. Der neueste Schrei sind chinesische Anbetungsmelodien. Denn in China gibt’s 2069 die meisten Christen auf diesem Erdball. Und der Papst ist aus Shanghai.

Natürlich wird ein bisschen gemault, dass die schönen alten Songs von Albert Frey und Judy Bailey auch mal wieder gesungen werden könnten. Die Gemeinde möchte mal wieder Englisch singen und nicht immer dieses Chinesische. Aber es ist dasselbe wie Gestern und in alle Ewigkeit: Jeder macht was er will, keiner macht was er soll, aber alle machen mit.

Es könnte natürlich auch gaaanz anders kommen: Es hat gar nichts verändert. Und im Gemeindehaus stehen immer noch diese alten, ollen Tische, wo man sich die Finger klemmt, wenn man die Tischbeine unten zusammensteckt. Aber mal ehrlich: Wenn Sie jemandem nach Jahren wieder begegnen, und der sagt: „Mensch, du hast Dich aber gar nicht verändert“ – Ich nähme das nicht als Kompliment, sondern ich würde erschrecken. Das kann doch nicht gemeint sein, wenn Jesus derselbe ist, gestern, heute und in Ewigkeit.

Es kommt darauf, jemanden durch die Veränderung der Zeiten wiederzuerkennen! Obwohl der ne Plauze gekriegt hat und weniger Haare. Die Pointe ist, sich zu wandeln und gerade darin derselbe zu bleiben! Warum liebst du deine Frau (oder deinen Mann) nach 25 Jahren eigentlich immer noch? So sehr wie die sich verändert hat: Biologisch gesehen ist bis auf ein paar Stammzellen keine Zelle im Körper noch von damals. Und die Schwerkraft und der Schweinebraten haben auch ihre Spuren hinterlassen. Sie ist doch immer noch dieselbe, die dich liebt und dir treu ist!

Und so ist das auch bei Jesus gemeint: „Derselbe in alle Ewigkeit.“ Dass Jesus heute wie vor 2000 Jahren derselbe ist, obwohl sich die Vorstellungen von ihm immer wieder ändern, das hängt an seiner Treue, der du vertrauen kannst. Ohne die gehst in den Veränderungen unter. Aber mit diesem Vertrauen findest du ihn in allem Wandel immer wieder. Was in diesem Wandel bleibt, sind nicht die Vorstellungen, die wir uns von Jesus machen. Sondern seine Treue. Seine Liebe. Das einzige, was bleibt, ist die Liebe, sagt die Bibel. (Hat Wolfang eben vorgelesen) Und meint damit die Liebe, die du spüren kannst, wenn du Jesus begegnest. Amen.